Wollte man mich kategorisieren, würde man mich wohl als Arbeiterkind mit Migrationshintergrund beschreiben. Ich bin mit dem Gefühl aufgewachsen, dass ich mich in der Politik einbringen muss, weil meine Belange sonst nicht gehört werden. Meine Startbedingungen im Leben waren nicht besonders gut. Mein Vater floh einst vor dem Bürgerkrieg in Sierra Leone nach Deutschland. Meine Mutter lernte ihn kennen, als er noch im Asylbewerberheim wohnte. Sie trennten sich nach meiner Geburt.
Unter der Woche lebte ich im weißen Teil meiner Familie in einem kleinen Dorf, in dem ich das einzige schwarze Mädchen mit den komischen Haaren war. Am Wochenende war ich das schüchterne deutsche Mädchen inmitten meiner lebensfrohen, afrikanischen Familie. Heute bin ich stolz auf meine doppelten Wurzeln. Als ich aber 14 Jahre alt war, spitzte sich meine familiäre Situation so zu, dass ich den Haushalt meiner Mutter mit der Hilfe des Jugendamts verlassen musste.
Ich zog in die Außenwohngruppe eines Kinderheims. Mein Gymnasium wurde zu meinem eigentlichen Zufluchtsort. Ich musste schnell feststellen, dass Bildung zwar der Schlüssel für eine bessere Lebensperspektive ist, der Zugang aber vielen jungen Menschen mit ähnlicher Lebenssituation verwehrt bleibt. Trotz guter Noten musste ich lange gegen Widerstände kämpfen.
Während meines Psychologie-Studiums habe ich gelernt, wie allein Geschlechterrollen die Lebenschancen ungleich verteilen können. Ich habe in Deutschland trotz aller Umstände den sozialen Aufstieg geschafft. Doch in vielen Ländern können Mädchen weder zur Schule gehen noch arbeiten. Deshalb ist die Gleichstellung der Geschlechter zu einem wichtigen politischen Anliegen für mich geworden.
Die Aufnahme in das GEH DEINEN WEG-Stipendienprogramm war eine große Bestätigung für mich. Danach bin ich Jugendbotschafterin für die entwicklungspolitische Organisation „One“ geworden. Im vergangenen Jahr war ich Teil der deutschen Jugenddelegation beim Y7-Gipfel in Kanada. Am Rande des G7-Gipfels konnten wir mit Jugendlichen aus der ganzen Welt über ihre Perspektiven auf globale Probleme diskutieren und den Chef-Unterhändlern der Konferenz unsere politischen Forderungen vorstellen.
Ich will mich auch weiter dafür einsetzen, dass junge Menschen weltweit mehr gehört werden. Denn die großen globalen Fragen, zum Beispiel die Folgen des Brexits und des Klimawandels, werden vor allem uns betreffen. Es wäre schön, wenn ich daran mitwirken könnte, nachhaltige Strukturen für politische Mitbestimmung von jungen Menschen zu erreichen.